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Wann liegt ein ärztlicher Behandlungsfehler vor?

Ein ärztlicher Behandlungsfehler liegt vor, wenn im Rahmen der Behandlung gegen die geltenden medizinischen Behandlungsstandards verstoßen wird.  

Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (BGH, Beschluss vom 22.12. 2015 – VI ZR 67/15.)


Mögliche Behandlungsfehler / Aufklärungsfehler und Beweisregeln

Sie vermuten, dass im Rahmen Ihrer Behandlung Fehler unterlaufen sind? Sprechen Sie uns jederzeit an. Wir prüfen für Sie, ob Ihnen Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz zustehen.

Mögliche ärztliche Behandlungsfehler können sein:

Diagnosefehler
Von einem Diagnosefehler ist auszugehen, wenn sich die durch den Arzt oder die Ärztin gestellte Diagnose als nicht mehr vertretbar darstellt oder wenn Symptome vorliegen, die für eine bestimmte Erkrankung kennzeichnend sind, diese allerdings nicht hinreichend berücksichtigt werden. 

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Bei der Annahme eines Diagnosefehlers ist die Rechtsprechung allerdings zurückhaltend. Symptome und Beschwerden können vielschichtig sein und zahlreiche Ursachen haben. Eine Haftung begründet eine fehlerhafte Diagnose daher lediglich dann, wenn die gestellte Diagnose objektiv als nicht mehr vertretbar erscheint oder wenn wesentliche Befunde nicht berücksichtigt wurden.

Befunderhebungsfehler
Ein Befunderhebungsfehler ist gegeben, wenn die unrichtige diagnostische Einstufung der Erkrankung darauf beruht, dass ärztlicherseits zuvor nicht alle medizinisch gebotenen diagnostischen Maßnahmen erfolgt sind. Dies unterscheidet den Befunderhebungsfehler von einem Diagnosefehler, bei welchem bereits alle gebotenen Befunde erhoben wurden. Der Arzt oder die Ärztin sind gehalten, im konkreten Behandlungsfall alle notwendigen diagnostischen Mittel einzusetzen, wobei sich dies auch nach der Eilbedürftigkeit und der Schwere der Erkrankung richtet.

Therapiefehler
Die Wahl der Behandlungsmethode ist primär Entscheidung des Arztes oder der Ärztin (sog. Therapiefreiheit). Bei der Therapiewahl billigt die Rechtsprechung den Behandelnden einen weiten Ermessensspielraum zu. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten im konkreten Fall und auf Basis der praktischen Erfahrung kann der Arzt oder die Ärztin unter verschiedenen Behandlungsmethoden entscheiden, welche angewendet werden soll. Ein Therapiefehler liegt allerdings dann vor, wenn sich der Arzt oder die Ärztin für eine falsche oder unangebrachte Therapie entscheidet oder wenn im Laufe der Therapie Fehler unterlaufen.

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Über bestehende unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten ist der Patient oder die Patientin zudem aufzuklären, wenn diese gleichwertig sind. Grundsätzlich wird die Therapieform zu wählen sein, die den größten Erfolg verspricht und mit den geringsten Risiken behaftet ist. Wird eine riskantere Therapieform gewählt, so muss dies mit besonderen Gründen im Einzelfall sachlich gerechtfertigt sein und mit dem Patienten oder der Patientin sorgfältig abgestimmt werden. Darüber hinaus kann beispielsweise eine Pflicht zur Überweisung an einen anderen Arzt oder Ärztin oder möglicherweise auch an ein Krankenhaus bestehen, wenn es eine überlegene Therapiemethode gibt, die nur durch eine andere Fachrichtung oder in einer Spezialklinik angeboten wird.

Verstöße gegen Hygienestandards
Eine Haftung kann auch bei Verstößen der an der Behandlung beteiligten Ärzten und Ärztinnen oder das Pflegepersonal gegen geltende Hygienestandards bestehen. Im Grundsatz gilt, dass sich Ansteckungen oder Infektionen in Arztpraxen und Krankenhäusern nicht immer vermeiden lassen.

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Haftungsbegründend kann sich jedoch auswirken, wenn die bestehenden Hygienevorschriften nicht eingehalten werden. Grundsätzlich muss der Patient oder die Patientin einen konkreten Hygienefehler darlegen und beweisen. Da die Abläufe in Arztpraxen und Krankenhäusern allerdings häufig nicht vollständig bekannt und einsehbar sind, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Patient oder die Patientin lediglich Tatsachen vortragen muss, die einen Hygienefehler vermuten lassen. Anschließend muss die Behandlerseite ihre geltenden Hygienevorschriften vorlegen und beweisen, dass diese dem aktuellen Standard entsprechen und bei der Behandlung eingehalten wurden.

Therapeutische Sicherungsaufklärung
Die Pflicht zur therapeutischen Aufklärung dient dazu, den Erfolg einer medizinischen Behandlung durch begleitende Maßnahmen und Verhaltensmaßregeln sicherzustellen. Bei der therapeutischen Aufklärung, die auch Sicherungsaufklärung genannt wird, handelt es sich rechtlich um einen Behandlungsfehler.

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Bei der Sicherungsaufklärung gibt es zahlreiche denkbare Konstellationen. Es hängt stets vom Einzelfall ab, auf welche Maßnahmen oder Verhaltensregeln der Arzt oder die Ärztin hinweisen muss. Möglich sind beispielsweise Hinweise zur Lebensführung vor oder nach einer Behandlung (z.B. Rauchen, Alkohol, Sport usw.), zur Befolgung ärztlicher Verordnungen, zur Einnahme von Medikamenten und deren möglicher Nebenwirkungen oder Hinweise zum Erfordernis und der Dringlichkeit weiterer Untersuchungen und Kontrollen.

Organisationsfehler
Zusätzlich zu möglichen Fehlern im Rahmen der medizinischen Behandlung selbst, können auch Fehler im Rahmen der Organisation eine Haftung begründen. Ärztliche Praxen und Krankenhäuser sind verpflichtet, Gefahren und Fehlerquellen durch geeignete organisatorische Maßnahmen zu vermeiden. Auch in diesem Bereich gibt es zahlreiche Sorgfaltspflichten, die rund um die medizinische Versorgung zu erfüllen sind. So muss beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der notwendigen technischen Geräte und die Bereithaltung der erforderlichen Räumlichkeiten, Medikamente, Materialien und Hilfsmittel sichergestellt sein. Ferner muss eine angemessene Ausstattung an qualifiziertem ärztlichen und nicht-ärztlichen Personal vorhanden sein. Das Personal muss außerdem sachgerecht organisiert und überwacht werden.

Beweisregeln des Arzthaftungsprozesses
Um Arzthaftungsprozesse erfolgreich zu führen, ist die Kenntnis der besonderen Beweislastverteilungs- und Beweiserleichterungsregeln im Arzthaftungsrecht von entscheidender Bedeutung.

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Für das Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers sowie dessen Kausalität für die eingetretenen Schäden trägt grundsätzlich der Patient oder die Patientin die Beweislast. Aus diesem Grund ist stets zu prüfen, ob im Einzelfall eine Beweiserleichterung zum Tragen kommt. Eine Beweislastumkehr zu Lasten der Behandlerseite ist beispielweise bei einem sog. groben Behandlungsfehler anzunehmen. Die Bewertung eines ärztlichen Fehlverhaltens als „grob“ richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist anzunehmen, wenn der Arzt oder die Ärztin eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht ärztlicher nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt oder einer Ärztin schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH, Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 139/10). Im Falle eines groben Behandlungsfehlers wird gemäß § 630h Abs. 5 S. 1 BGB vermutet, dass der Behandlungsfehler für die entstandene Verletzung ursächlich war. Der Arzt oder die Ärztin muss in diesem Fall beweisen, dass die eingetretene Verletzung nicht auf dem konkreten Fehlverhalten beruht. Außerdem kann sich eine Beweiserleichterung für den Patienten oder die Patientin auch im Falle eines Befunderhebungsfehlers ergeben. Eine Beweiserleichterung ist dann anzunehmen, wenn bei der Unterlassung der Erhebung oder Sicherung medizinisch gebotener Befunde nachgewiesen werden kann, dass die (hypothetische) Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ergebnis ergeben hätte und das Unterlassen einer Reaktion hierauf als grober Fehler zu bewerten wäre, § 630h Abs. 5 S. 2 BGB.

Aufklärungsfehler
Eine ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten oder der Patientin vor einer Behandlung ist neben der Geltendmachung von Behandlungsfehlern im Arzthaftungsprozess ebenfalls von großer Bedeutung.

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Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der oder die Behandelnde verpflichtet, die Einwilligung des Patienten oder der Patientin einzuholen, § 630d Abs. 1 BGB. Eine ohne wirksame Einwilligung erfolgte Maßnahme ist rechtswidrig. Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt voraus, dass der Patient oder die Patientin vor der Einwilligung aufgeklärt worden ist, § 630d Abs. 2 BGB. Nach § 630c BGB muss der Patient oder die Patientin zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, im weiteren Verlauf über alle für die Behandlung wesentlichen Umstände aufgeklärt werden. So ist insbesondere über die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapiemöglichkeiten sowie deren Dringlichkeit, Chancen und Risiken aufzuklären. Diese Aufklärung soll dem Patienten oder der Patientin ermöglichen, selbstbestimmt über die Durchführung der ärztlichen Behandlung zu entscheiden. Die Aufklärung muss rechtzeitig und mündlich erfolgen und gegebenenfalls eigene Fragen des Patienten oder der Patientin beantworten. Die Verletzung der Aufklärungspflicht stellt eine eigenständige Anspruchsgrundlage dar. Kommt es durch eine unzureichende Aufklärung zu einem Gesundheitsschaden, indem sich ein Risiko verwirklicht hat, über welches nicht aufgeklärt wurde, können Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Wichtig ist insoweit, dass im Falle der Aufklärung die Behandlerseite darlegen und beweisen muss, dass die Einwilligung des Patienten oder der Patientin eingeholt und zuvor ordnungsgemäß aufgeklärt wurde. Allerdings kann sich die Behandlerseite darauf berufen, dass der Patient oder die Patientin auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die geplante ärztliche Behandlung eingewilligt hätte.


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